hamlet

hamlet

shakespeares hamlet

jugendbuch

48 s. | mit 6 ganzseitigen, farbigen illustrationen von susanne janssen
18,6 x 29,6 cm | klappenbroschur
kwasi verlag 2016 || 20 fr. | 19 €
ab 14 jahren und für erwachsene
ISBN 978-3-906183-19-0

rezensionen

Macht und Karriere, Ruhm und Ehre, sowie Identität stehen im Zentrum dieses Klassikers. Bruno Blume erzählt ihn sehr modern, immer wieder gespickt mit Originaldialogen. Er hat das Werk auf wenige Seiten reduziert, was dessen Zugang für Oberstufenschüler erleichtern mag. Die Illustratorin hat sechs tragisch-schöne, eine eigene Sprache sprechende Bilder beigesteuert.“
miriam vollenweider, kklich.ch

„Ganz schön mutig: Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchautor Bruno Blume hat […] Adaptionen der fünf späten Tragödien für interessierte jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen vorgelegt […]. Neu, anders, besonders bei Blume: An die Stelle der Akte sind innere Monologe (mit eingearbeiteten Dialogen) getreten, welche die Handlung aus wechselnden Perspektiven erzählen und interpretieren, was Blume erlaubt, zu psychologisieren oder auch die weiblichen Figuren stärker zu akzentuieren. Die Hauptstränge der Plots sind zwar bewahrt, doch anders geflochten, Komplexität und Umfang der Originale […] reduziert. “
dr. deborah keller, buch&maus 1/17

links

illustratorinnen:
susanne janssen

verlag:
kwasi-verlag.ch

neurodiversität

shakespeare lesen ist anstrengend, einerseits weil es theaterstücke sind, andererseits weil viel zeitcouleur und viele nebenhandlungen drinstecken.
in dieser ausgabe ist die geschichte gestrafft, kleine nebenrollen sind getilgt, abschweifungen fehlen, die taten der figuren sind psychologisch begründet – ideal für autist:innen und andere hochsensitive, die einfach der hoch aktuellen geschichte folgen möchten.
und vielleicht ist hamlet auch ein autist mit seiner „anderen“ wahrnehmung, seiner sensitivität, seinem ewig langen grübeln und seiner direktheit?

shakespeares hamlet

beschreibung

weil er weiß, dass sein vater umgebracht wurde, kann er nicht mehr so tun, als ob nichts war. aber muss er deswegen die verantwortung übernehmen für das, was seine eltern verschuldet haben. was wäre die alternative? sein oder nicht sein, ertragen oder sich wehren – hamlet kann sich nicht entscheiden.
hamlet, der dänen-prinz, ist wieder der, der er ist – 16-jährig, aufbegehrend, fragend, unglücklich suchend zwischen den ansprüchen an ihn und seinen eigenen. und damit rückt die königin, seine mutter gertrude, in den fokus: was hat sie getan? wie viel weiß sie? was kann sie für hamlet tun? und warum tut sie es nicht?

leseprobe

Drei Tage feiern sie schon ohne Unterlass die königliche Hochzeit. Essen, trinken, Sprüche, Gäste, Ansprachen und wieder essen, trinken. Ein Fest für alle! Ein Einziger bleibt schwarz gekleidet und legt seine traurige Miene immer noch nicht ab. Ich frage mich wirklich: Ist er traurig, oder ist es Spiel? Führt er ein Theater auf? Für mich? Will er mich strafen?
Er ist mir böse, sicher auch weil wir ihn so früh schon weggeschickt nach Wittenberg. Eine gute Bildung – welche Mutter wünscht sich die nicht für den eignen Sohn? Er ist so klug, so zart auch, zärtlich war er immer schon mit mir, verständnisvoll und ehrlich offen. War er zu jung, als wir ihn aus Geborgenheit und Heimat rissen? Hat ihm dort im fremden Land die Mutterliebe gefehlt? Es war des Königs Wunsch gewesen, und niemals wär’s mir in den Sinn gekommen, daran zu zweifeln. Eines Königs Wunsch ist richtig. Ich sehe nur jetzt den Prinzen, schwarz und traurig an dieser meiner Hochzeit …
Er ist so verändert, seit wir ihn an den Hof zurückgerufen. Ihm ist alles schwer, er macht keinen Unterschied zwischen Hochzeit und Beerdigung.
Dieser Lärm macht mich noch wahnsinnig. Wieder saufen sie sich die ganze Nacht das Hirn aus ihren Köpfen. Der dritte Tag, die dritte Nacht, und viele waren keine Stunde nüchtern. Claudius immer mitten unter ihnen. Ich weiß nicht, wie er so regieren will. Der junge Fortinbras von Norwegen hebt ein Heer aus und will uns Ländereien streitig machen, die mein König seinem Vater abgenommen hatte – mit allem Recht. Doch seit beide Könige tot sind, glaubt Fortinbras, alte Rechte gälten nicht mehr. Derweil säuft der neue König Dänemarks seit drei Tagen sich „die Hucke voll“, wie er mir stolz verkündet, wenn er in der Morgendämmerung betrunken in mein Bett klettert.
Drei Tage. Drei Wochen erst sind’s her, dass mein König tot aufgefunden wurde. Drei Wochen Trauer, die jetzt verdrängt werden soll von der endlosen Feier. Schlafen! Könnt ich doch schlafen. Traumlos schlafen! Die Albträume halten mich immer noch wach: jede Nacht die Schlange, das Gift. Einfach schlafen, nichts mehr hören, alles hinter mir lassen.

illustrationen

weitere informationen

„Hamlet wird vom Geist seines Vater dazu gedrängt, seinen Tod zu rächen. Doch die Lage ist verzwickt, denn sein Onkel, nun sein Stiefvater, ist der Mörder. Und welche Rolle spielt seine Mutter in der Sache?
Als 16-Jähriger muss er seinen Eltern noch gehorchen, aber er verliert zunehmend die Achtung vor ihnen, je mehr er über sie erfährt. Er erkennt die Schlüsselrolle seiner Mutter Gertrude, aber verkennt, dass er seiner Mutter in vielem gleicht. Er hat ähnliche Gedanken, spricht Sätze, wie sie sie zuvor gedacht hat. Er verhält sich seiner Geliebten Ophelia gegenüber so unreif wie Gertrude gegenüber dem An­denken ihres Mannes. Und er stellt sich wie sie die richtigen Fragen, ohne sie zu beantworten und entsprechend zu handeln. Beide sehnen sich danach, das alles hinter sich lassen. Schlafen zu können und süß zu träumen oder gleich den Schlussstrich zu ziehen und zu sterben. In seinem berühmten Sein-oder-nicht-sein-Monolog merkt Hamlet, dass das nicht das Ziel sein kann, doch verfängt er sich im Spannungsfeld zwischen Angst und Gewissen: Ist es richtig, seine Angst zu überwinden und zur Tat zu schreiten, oder ist es wichtiger, auf sein Gewissen zu hören und sich selbst zurückzunehmen?
Als er seine Mutter zur Rede stellt, wird er wie ein kleines Kind abgespeist: „Du bist noch jung, dein Vater scheint dir durchwegs gut und edel – aber glaube mir, verschlossne Türen können viel verbergen. Ja, er war ein guter Mensch, ich lieb ihn immer noch. Doch hast du keine Ahnung, was er auch noch war.“ Was die Schlaf- und Regierungszimmertüren verbargen, erfährt Hamlet erst, nachdem er seinen Freund Laertes im Duell tödlich getroffen hat und Gertrude – nach Jahren der scheinbaren Familienidylle – betrunken und vergiftet doch noch ihre Schmerz- und Schamgrenze überschreitet. Ob nach Brudermord und Inzest ein menschenwürdiges Sein noch möglich wäre, bleibt eine weitere unbeantwortete Frage.
Hamlet wurde oft als Zauderer bezeichnet – doch wer von uns kann die Sein-oder-nicht-sein-Frage für sich beantworten? Und wer schafft die gebotene Offenheit seinen Kindern gegenüber?“
kwasi verlag

othello

othello

shakespeares othello

belletristik, jugendbuch

48 s. | mit 6 ganzseitigen, farbigen illustrationen von alice wellinger
18,6 x 29,6 cm | klappenbroschur
kwasi verlag 2016 || 20 fr. | 19 €
ab 14 jahren und für erwachsene
ISBN 978-3-906183-20-6

rezensionen

„Blume präsentiert Lesarten der Stücke für erwachsene Shakespeare-Fans und entdeckungsfreudige Jugendliche […] lässt dabei tief in die Seelen von Shakespeares Frauenfiguren blicken. […] Blume inszeniert starke Frauen – und hat sich fünf starke Künstlerinnen an seine Seite geholt. Es sind ihre Bilder, die dieses Projekt besonders und die eine Auseinandersetzung auch ausserhalb des Literaturunterrichts reizvoll machen. Denn mit ihren unterschiedlichen llustrationsstilen und Blickwinkeln legen auch sie neue Lesarten frei, indem sie sich von Althergebrachtem lösen, […] Akzente verschieben, […] Gefühlswelten in den Vordergrund rücken oder das Geschehen in unsere Zeit versetzen.“
marlene zöhrer, berner zeitung

„Ganz schön mutig: Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchautor Bruno Blume hat im vergangenen, reich bespielten Shakespeare-Jahr Adaptionen der fünf späten Tragödien für interessierte jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen vorgelegt […]. Neu, anders, besonders bei Blume: An die Stelle der Akte sind innere Monologe (mit eingearbeiteten Dialogen) getreten, welche die Handlung aus wechselnden Perspektiven erzählen und interpretieren, was Blume erlaubt, zu psychologisieren oder auch die weiblichen Figuren stärker zu akzentuieren. Die Hauptstränge der Plots sind zwar bewahrt, doch anders geflochten, Komplexität und Umfang der Originale […] reduziert. “
dr. deborah keller, buch&maus 1/17

links

illustratorin:
alice wellinger

verlag:
kwasi-verlag.ch

neurodiversität

shakespeare lesen ist anstrengend, einerseits weil es theaterstücke sind, andererseits weil viel zeitcouleur und viele nebenhandlungen drinstecken.
in dieser ausgabe ist die geschichte gestrafft, kleine nebenrollen sind getilgt, abschweifungen fehlen, die taten der figuren sind psychologisch begründet – ideal für autist:innen und andere nochsensitive, die einfach der hoch aktuellen intrige gegen othello folgen möchten.

und der held, der große othello, verhält er er nicht in seiner vertrautheit und naivität selbst wie ein autist?

shakespeares othello

beschreibung

othello liebt die schöne desdemona und bringt sie kurz nach der hochzeit um. othello ist schwarz, desdemona ist blond. er hat sich hochgearbeitet, sie ist adelstochter. er kennt keine eifersucht, er lernt sie kennen. die romanze wäre perfekt, wäre da nicht jago, der sich von othello übergangen fühlt und sich in einen rausch der rache steigert, die wie eine reuerwalze alles vernichtet.

drei frauen werden in den strudel hineingezogen, jede entwickelt eine andere strategie dagegen. nur eine überlebt, mit der schalen erkenntnis, dass sie zu spät reagiert hat.

leseprobe

Noch hängt seine Wärme in den Laken, ich spür ihn hier und hier und vor allem hier. Und doch ist alles immer noch ein Traum. Auch wenn der Pater die Hochzeit gleich vollziehen wird – dass ich es bin, die heiraten wird, die ihn heiraten wird, erscheint mir immer noch so unnatürlich. Schwarz ist die Nacht, doch hat die Schwärze all ihre Schrecken verloren, die größte Freude ist sie mir nun. Am liebsten wär ich selber schwarz von Kopf bis Fuß, gerade so wie er. Meine blonden Haare würde ich behalten zum Kontrast und als Zeichen meiner Herkunft. Ach, ich liebe meinen Vater. Er war immer gut zu mir. Er hat mich mit Othello bekanntgemacht. Natürlich hat er ihn nicht für mich in unser Haus eingeladen. Schon als ich Kind war, war er der Held der Gesellschaftsabende. Ich musste, ich durfte ihn bedienen. Alle Eile, all mein Dienst­eifer rührten nur daher, dass ich so rasch als möglich aus der Küche zurück im Saal sein wollte, damit auch ich seinen Erzählungen lauschen konnte. So hab ich von meines Vaters Einladungen doppelt profitiert: Ich habe mir viel Geschick in jeder Haushaltsangelegenheit erworben – und einen Geliebten: meinen Mann, kann ich sagen in wenigen Minuten, wenn Othello gleich mit dem Pater zurückkehrt.
Ich wünschte, es müsste nicht heimlich, nachts geschehen. Ich wünschte, Vater würde mich Othello heute zuführen, wie es tausend andere Väter mit ihren Töchtern tun. Stattdessen musste ich mich heimlich aus seinem Haus schleichen. Bin ich eine Diebin? Stehle ich die Tochter ihm, die ich selber bin? Ich weiß, ich bin sein Einzelkind, hüten will er mich wie einen Schatz. Und doch bin ich nicht dazu geboren, sein Eigen zu sein auf ewig. Ich verdanke ihm mein Leben, die Erziehung, die ich genossen und die mich lehrt, ihn zu ehren. Das seh ich ein und tu es gern. Tät es gern. Er hat es gut gemacht, hat mehr mir zukommen lassen, als sonst eine Frau bekommen hat wohl in ganz Venedig. Gebildet bin ich und angesehen. Doch da ich nun entwachsen bin den Kinderspielen und dem jugendlichen Leichtsinn, will ich meinen weiteren Lebensweg selbst bestimmen. Schreibt ihm denn sein Vater vor, was er zu tun und zu lassen hat? Wie absurd müsste ihm diese Frage vorkommen. Und
doch muss er sie sich selber stellen, denn nichts anderes macht er mit mir. Ich will unabhängig entscheiden, welchen Mann ich liebe, mit welchem ich die Ehe, die heilige, eingehe. Und ich habe mich entschieden. Unumkehrbar wird es sein, wenn wir uns morgen wieder sehen. Ach, hätte Othello um meine Hand anhalten können, wie es ihm als Ehrenmann und General zusteht. Doch niemals hätte mein Vater eingewilligt. Ein Schwarzer, ein Mohr als Schwiegersohn eines venezianischen Senators! So völlig undenkbar.
Und wenn es schon geschehen wäre? Wenn sein Samen fruchtbar in meinen Schoß gefallen? Sein Kind sich in meinem Leib nähren würde? Ein schwarzes Lämmchen bald seine ersten Bocksprünge gegen meinen Bauch führte? Gibt es größeres Glück?

illustrationen

weitere infos

„Othello bringt kurz nach der Hochzeit seine schöne Frau Desdemona in einem Anfall von Eifersucht um. Welche Bedeutung hat dabei, dass Othello ein Schwarzafrikaner ist? Dass er General in fremden Diensten ist? Dass er in seiner Verliebtheit auf seine Frau gehört und seinen Fähnrich Jago nicht zum Leutnant befördert hat?
Ein ungeheurer Sturm erfasst die Schiffe, auf denen die tragenden Figuren des Stückes nach Zypern unterwegs sind. Sinnbildlich wirbelt er alles durcheinander, die Beziehungen sind danach nicht mehr, was sie vorher waren. Othello, der das ‚grünäugige Monster‘ Eifersucht nicht kannte, erliegt ihm nach wenigen Tagen. Und doch, sinniert die Zofe Emilia, war es nicht der Sturm, sondern – ein Taschentuch. Das größte Eifersuchtsdrama der Welt wäre keines, würde Desdemona ihrem geliebten Othello erzählen, dass sie es verloren hat. Verloren, als er sie in seinem elenden Verdacht zurückweist.
Desdemona ist das Opfer und hätte doch ihrem Schicksal entgehen können, hätte sie nicht blind vor Liebe – oder vor Naivität? – auf Othello vertraut und bis zuletzt auf ihn gebaut: ‚Trotzdem ist er mir so lieb, dass selbst sein Zorn, sein Schlagen mir erhaben scheinen. Ich kenne sein Gesicht, sein wahres hinter dem schwarzen, das heut so wutverzerrt ist. Was meinst du, Emilia: Ob es wirklich Frauen gibt, die ihren Ehemann betrügen?‘ Davon kann ihre Zofe Emilia so einiges erzählen. Aber Desdemona hört ihr nicht zu. Dabei ist es Emilia, die offenherzig, schlagfertig und integer die Intrige ihres Mannes Jago aufdeckt. Die Intrige, die hinter Othellos unerklärlicher Wut steckt und fünf Menschen das Leben kosten wird. Das kann auch Bianca nicht verhindern, die als Hure in Shakespeares Drama nicht mehr als ein paar Zeilen Text hat. Endlich darf sie sich gegen diese Verleumdung wehren, durch die auch sie zu Jagos Opfer wird. Mit Emilias Hilfe wird sie zur Zeugin und ersten Berichterstatterin des Unglücks aus Jagos Hass und Othellos Raserei. ‚Zu groß, damit zu leben, war sein Herz‘, heißt es von Othello, doch Bianca korrigiert: ‚Er war zu klein für ihre reine Liebe.'“
kwasi verlag

könig lear

könig lear

shakespeares könig lear

belletristik, jugendbuch

48 s. | mit 6 ganzseitigen sw-illustrationen von anke feuchtenberger
18,6 x 29,6 cm | klappenbroschur
kwasi verlag 2016 || 20 fr. | 19 €
ab 14 jahren und für erwachsene
ISBN 978-3-906183-21-3

rezensionen

„Blume präsentiert Lesarten der Stücke für erwachsene Shakespeare-Fans und entdeckungsfreudige Jugendliche […] lässt dabei tief in die Seelen von Shakespeares Frauenfiguren blicken. […] Blume inszeniert starke Frauen – und hat sich fünf starke Künstlerinnen an seine Seite geholt. Es sind ihre Bilder, die dieses Projekt besonders und die eine Auseinandersetzung auch ausserhalb des Literaturunterrichts reizvoll machen. Denn mit ihren unterschiedlichen llustrationsstilen und Blickwinkeln legen auch sie neue Lesarten frei, indem sie sich von Althergebrachtem lösen, […] Akzente verschieben, […] Gefühlswelten in den Vordergrund rücken oder das Geschehen in unsere Zeit versetzen.“
marlene zöhrer, berner zeitung

„Ganz schön mutig: Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchautor Bruno Blume hat im vergangenen, reich bespielten Shakespeare-Jahr Adaptionen der fünf späten Tragödien für interessierte jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen vorgelegt […]. Neu, anders, besonders bei Blume: An die Stelle der Akte sind innere Monologe (mit eingearbeiteten Dialogen) getreten, welche die Handlung aus wechselnden Perspektiven erzählen und interpretieren, was Blume erlaubt, zu
psychologisieren oder auch die weiblichen Figuren stärker zu akzentuieren. Die Hauptstränge der Plots sind zwar bewahrt, doch anders geflochten, Komplexität und Umfang der Originale […] reduziert. “
dr. deborah keller, buch&maus 1/17

links

illustratorin:
anke feuchtenberger

verlag:
kwasi-verlag.ch

neurodiversität

shakespeare lesen ist anstrengend, einerseits weil es theaterstücke sind, andererseits weil viel zeitcouleur und viele nebenhandlungen drinstecken.
in dieser ausgabe ist die geschichte gestrafft, kleine nebenrollen sind getilgt, abschweifungen fehlen, die taten der figuren sind psychologisch begründet – ideal für autist:innen und andere hochsensitive, die einfach der hoch aktuellen geschichte folgen möchten.
und benimmt sich könig lear nicht selbs wie ein autist? und seine töchter?

shakespeares könig lear

beschreibung

es beginnt wie im märchen und endet mit der totalen kata­strophe: der alte könig plant die übergabe der macht an die nächste generation minutiös, ohne jedoch seine drei töchter in die entscheidung einzubinden. sie sollen seinen plan absegnen und für seine rente aufkommen.
das konfliktpotential wird voll ausgeschöpft: machtkampf, generationenkonflikt, geschwisterneid, verweigerung, verblendung, verleumdung.

drei schwestern auf der suche nach einem lebbaren verhältnis zu ihrem vater zwischen hass und liebe und gleichgültigkeit.

leseprobe

„Nein, die können mir nicht wegen Münzprägen. Ich bin der König.“
„Mylord, erkennt Ihr mich?“
„O lala. Goneril mit grauem Bart. Die haben mich wie Hunde fort und hätte weißes Haar im Bart. Der Regen kam, mich nass zu machen, und der Wind mich donnerte. Zu allem Ja und Nein. Ich habe sie geschmeckt, die falsche Schlange. Ihre Worte, o gelogen und ich nicht schüttelfrostgeschützt.“
„Mylord, wie viele Töchter habt Ihr?“
„Wenn ich so starre und die Hand erhebe, wie erbebt der Untertan vor mir! Zwei Schlangen, eine galliger, die andre auch. Was dein Verbrechen? Bist du Ehebruch? Der Bastard liebt nicht seinen Vater mehr als meine Töchter. Mich. Ich würd’s dir zeigen, aber ’s fehlen die Soldaten. Durch das Unter­höschen affektierter Damen. Ihre Lippen sagen Schnee voraus in ihrem Schritt. So eisig, eisig. Tugend, ja, ja! Bis sie Königinnen übers halbe Reich. So geile Luder sind’s hüftabwärts, noble Damen nur darüber. Brüste nie gesäugt ein Kind, wie sie eins waren. Löcher schwarz und schweflig brennt’s, versengte mich mit Stumpf und Stiel. Nimm deinen Sold.“
„Mylord, kennt Ihr Cordelia?“
„Niemand sündigt! Niemand, sag ich dir. Der Taschendieb wird stets erkannt durchs Loch im Lumpenkleid. Seide und auch Pelz verbergen jedes Laster vor dem Richterblick. Vergolde jede Sünde, und das Schwert des Rechts verfehlt sie klar. Bewaffne Sünde dann mit Lumpen, und ein Strohhalm fädelt mühelos sie auf. Drum kauft ihm Glasaugen, so sieht er besser als ein Richter. Will er mein Unglück beweinen, nimmt er meine Augen. Denn wenn wir geboren werden, schreien wir, weil wir auf diese Narrenbühne draufge­worfen wurden.“
Ich halt’s keine Sekunde länger aus. Eher sterbe ich, als ihn so zu lassen. Ärzte, Heiler, Magier, zeigt her Eure Künste. Zu ihm jetzt, auch mit zitternden Knien.
„Seht, kennt Ihr diese Dame?“
„Ich bin auf einem Rad aus Feuer festgebunden. Tränen kochen. Schmelzend Blei sind meine, meine Augen.“
„Wie geht es Eurer Majestät? Erkennt Ihr mich?“
„Du bist ein Geist, ich weiß schon. Wo bist du gestorben?“
„Weit, weit weg und lange, lange her.“
„Wo war ich da? Und wo bin ich jetzt? Ist’s heller Tag? Ich kann nicht schwören, dass dies meine Hand ist. Wollt, ich wäre sicher ich. Versichert.“
„Seht mich an, Sir. Segnet mich.“
„Verspott mich nicht. Bin achtzig. Alter Mann ohne Verstand. Tand. Sand von Dover. Kann mich nicht erinnern, wer ich bin. Wo bin ich. Wo hab ich zuletzt geschlafen. Aber ich, falls ich ein Mensch bin, denk, dass diese Dame müsst mein Kind Cordelia sein.“
„Und ich bin es, bin es.“
„Nicht weinen, Kind. Machst dich ganz nass. Sag, hast du Gift für mich? Ich nehm’s. Du hasst mich. Und mit Grund. Du ja, die nicht.“
„Keinen Grund, wirklich nicht.“
„Nachsicht. Bin verrückt. Kaputt.“
„Legt Euch schlafen, Vater. Schlaft Euch aus. – Bringt ihn ins Lager, und legt ihn auf mein Bett.“

illustrationen

zusätzliche informationen

„Der alte König Lear denkt rechtzeitig an die Über­gabe der Herrschaft an die Jüngeren. Er will sein Reich dritteln und seine Macht unter seinen drei Töchtern aufteilen. Als einzige Gegenleistung verlangt er das Bekenntnis zu ihm: Weil ihr mich liebt, ergo weil ich liebenswert bin, teile ich mit euch. Und weil ich das vorbildlich mache, behalte ich den Ehrentitel des Königs, und ihr müsst für mich sorgen bis zu meinem Ende. Lear will einen Teil der Macht behalten, aber die ganze Last abgeben. Und gefragt, wer von seinen Töchtern denn eigentlich die Macht übernehmen möchte, hat er auch nicht. – Keine der drei, so unterschiedlich sie sind, will und kann so leben.
Die Jüngste ist die Einzige, die ihn wirklich liebt – und verweigert sich dem Befehl, ihre Liebe zu erklären. Schon in dieser ersten Szene zeigt sich der Charakter des Vaters: Wer meine Bedingungen nicht erfüllt, verliert alles. Er enterbt und verbannt seine jüngste Tochter auf der Stelle! Die Mittlere möchte gar nicht herrschen. Ihr drängt er die Krone und das halbe Reich auf. Sie passt nicht in das väterliche duale Weltbild des Alles-oder-nichts. Die Frage nach ihrer Liebe beantwortet sie ausweichend: so wie meine große Schwester. Diese heuchelt schamlos und nimmt alles, was sie kriegen kann. Sie ist wie der Vater und richtet am Ende so wie er am Anfang über sich und die anderen.
Es zeigt sich der fundamentale Gegensatz von Kopf und Herz: Lear hätte seiner Jüngsten, die er am meisten liebt, nur zu gern alles gegeben, ist aber einem vagen Gerechtigkeitssinn gefolgt und hat das Gegenteil dessen gemacht, was er an sich als richtig empfindet. Alles weitere Scheitern, die Demütigungen und der verfrühte, unglückliche Tod sind die Folgen dieser Entscheidung.
Wie gehen wir mit unseren alten Eltern um? Mit ihrer Sturheit des Alters, dem nicht versiegenden Anspruch auf Gehorsam? König Lear steht als mächtiges Beispiel für unsere Eltern und für uns selbst in der Überzeugung, gute Eltern zu sein.“
kwasi verlag

macbeth

macbeth

shakespeares macbeth

belletristik, jugendbuch

48 s. | mit 6 ganzseitigen, farbigen illustrationen von jacky gleich
18,6 x 29,6 cm | klappenbroschur
kwasi verlag 2016 || 20 fr. | 19 €
ab 14 jahren und für erwachsene
ISBN 978-3-906183-23-7

rezensionen

„Ganz schön mutig: Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchautor Bruno Blume hat […] Adaptionen der fünf späten Tragödien für interessierte jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen vorgelegt […]. Neu, anders, besonders bei Blume: An die Stelle der Akte sind innere Monologe (mit eingearbeiteten Dialogen) getreten, welche die Handlung aus wechselnden Perspektiven erzählen und interpretieren, was Blume erlaubt, zu psychologisieren oder auch die weiblichen Figuren stärker zu akzentuieren. Die Hauptstränge der Plots sind zwar bewahrt, doch anders geflochten, Komplexität und Umfang der Originale […] reduziert. “
dr. deborah keller, buch&maus 1/17

links

illustratorinnen:
susanne janssen

verlag:
kwasi-verlag.ch

neurodiversität

shakespeare lesen ist anstrengend, einerseits weil es theaterstücke sind, andererseits weil viel zeitcouleur und viele nebenhandlungen drinstecken.
in dieser ausgabe ist die geschichte gestrafft, kleine nebenrollen sind getilgt, abschweifungen fehlen, die taten der figuren sind psychologisch begründet – ideal für autist:innen und andere hochsensitive, die einfach der hoch aktuellen geschichte folgen möchten.

und was hat macbeth, der grenzüberschreitende machtmensch, mit autist:innen gemeinsam?

shakespeares macbeth

beschreibung

lady macbeth gilt als eine der bösesten frauen­figuren der weltliteratur. sie verführt ihren mann zum mord am könig, um selbst königin zu werden. als er zögert, schleudert sie ihm entgegen: „ich hab gestillt, ihm meine liebe froh gegeben. und hätt doch ihm meine warze aus dem mund gezerrt und ihm das hirn zu brei zerschlagen, wenn’s drauf angekommen.“

wie sind die rollen dieses liebespaares wirklich verteilt? was kettet sie zusammen, was projizieren sie aufeinander? was verhindert, dass sie miteinander reden können, und lässt sie auf dem gemeinsamen weg scheitern?

leseprobe

Endlich schläft sie. Du meine Güte. Wäre sie nicht Königin, ich müsste denken, sie wär verrückt. Redet immerzu vor sich hin, wenn sie glaubt, sie ist allein. Ich belausche sie, werde aber nicht schlau daraus. Vor allem hat sie es mit Blut. Wer da blutet, begreif ich nicht, oder warum. „Blutiges Kind“, wiederholt sie ständig, „mein blutiges Kind.“ Mein Gott, welches Kind? Sie hat ja keins. Nicht mehr. Oder sie zuckt so mit den Händen, wirft sie so hin und her, als ob sie sehr beschäftigt wäre und Dinge täte, die niemand sieht. Vielleicht kommt’s davon, dass sie als Königin keine Arbeit hat. Den ganzen Tag nichts tun, na, ich weiß nicht. Hört sich ja ganz gut an. Aber das wird dann eben langweilig. Und so viel allein, weil der Herr immer unterwegs war. Jetzt regiert er immer und hat Besprechungen. Ja, dann fangen die Hände an, so zu tun. Das kann ich schon verstehen. Aber was sie tut, so als ob, das erkenn ich nicht. Sie macht die Bewegungen nur so halb. Und spricht auch nicht alles aus. Immer halbe Sätze. Als ob sie Geheimnisse hätte. Oder lieber gleich wieder vergessen würde, was sie denkt.
Der Doktor hat sie untersucht, aber er hat immer nur gelächelt und mit dem Kopf gewackelt. Ich hab gleich gemerkt, der findet nichts so mit dem Magen oder mit dem Herz. Es muss was andres sein, mehr tiefer drin in ihr. Ob da ein Doktor drankommen kann? Geht ja nicht, dass sie aufgeschnitten wird, nur zum Nachschauen. Aber er hat gemeint, er kommt noch mal heute Nacht, als ich ihm gesagt habe, dass sie immer nicht schläft. Ich hör sie herum­gehen und in ihren Kleidern wühlen. Und dann redet sie wieder, aber ich weiß nicht, ob sie wach ist. Ich hab schon gehört, dass es welche gibt, die schlafwandeln. Kann schon sein, dass sie das macht. Sonst versuch ich immer, wieder einzuschlafen, wenn sie so rumort und mich weckt. Heute gehe ich mit dem Doktor und schau mir das an. Er ist ja viel gescheiter als ich und kann vielleicht verstehen, was sie spricht. Aber ich hab ihm ange­sehen, dass er lieber nicht herkommen würde. Kann aber nicht wegbleiben, da ist Befehl eben Befehl. Er hat Angst vor dem König. Ich versteh das. Sag dem König, seine Frau ist krank, schon wirst du für die schlechte Nachricht aufgehängt. Der kann ja machen, was er will. Sagt ihm ja niemand Halt.
So viele sind jetzt schon tot, die nur ein bisschen aufgemuckt. Nicht, dass ich was davon verstünde. Aber mein Vetter hat mir erzählt, wie’s in der Stadt zugeht. Keiner traut da keinem mehr, sagt er. Wer was Falsches sagt, kann noch am Abend baumeln, wenn’s in die falschen Ohren dringt. Ich glaub ihm das und hab zu ihm gesagt, er soll sich vorsehen, damit er nicht an die Falschen kommt. Er hat gesagt, er ist ja nicht dumm, und dass er lieber gar nichts mehr sagt.

illustrationen

zusätzliche informationen

„Macbeth ermordet den König, um selber König zu werden. Aber als Herrscher muss er weitermorden, um sein dunkles Geheimnis zu wahren. Er sucht Hilfe bei den weird sisters, die ihm zuvor schon prophezeit haben, dass er Than von Cawdor werde – was gleich darauf eingetreten ist – und später König. Nun erhält er die Vorhersage, dass ihn keiner besiegen könne, der von einer Frau geboren wurde. Macbeth folgert daraus, dass er unbesiegbar sei, doch auch dieser Glaube schenkt ihm keine Ruhe, bis es zur finalen Schlacht kommt.
Warum aber hat er den König umgebracht, da er ja an die Prophezeiung glaubt, also auch ohne Mord König geworden wäre? Eine wichtige Rolle spielt seine Frau, Lady Macbeth, die ihn zum Mord drängt, den sie als „grausame Notwendigkeit“ sieht. Ist sie also die Böse, die Eva, die ihn verführt?
In dieser Fassung spielt sie die Hauptrolle. Sie kennt ihren Mann genau, seinen Drang zu Größe, seinen unbedingten Willen, und sie erkennt sein Sehnen: „Du willst König sein.“ Aus ihrer Liebe heraus unterstützt sie ihn dabei, handelt, um ihre Beziehung zu erhalten, und kann ihn überzeugen: „Es ist das Schicksal selbst, das uns als Gast den König hergeführt. Es prüft uns! Der Schicksalsspruch ist vage, unser König noch nicht alt. Bleibt er noch vierzig Jahre auf dem Thron, was hast du dann vom Königsein als alter Greis?“ Doch die Morde sind nicht wie das soldatische Töten auf dem Schlachtfeld. Sie vergiften die oberflächliche Freude an der Macht, reißen alte Wunden auf. Als Lady Macbeth sich ihrem Mann schließlich doch noch in den Weg stellt, ist es zu spät.
Was also ist Schicksal? Gibt es das gar nicht, muss es erduldet werden, oder lässt es sich aktiv beeinflussen und gestalten? Und ist einer Vorhersage des eigenen Schicksals zu trauen? Wie lassen wir uns verführen von Horoskopen, Versprechungen, Vermutungen? Wie oft und mit welchen Mitteln setzen wir uns durch, wenn Ansprüche aufeinander­prallen und es heißt: ich oder sie?“
kwasi verlag

meretlein

meretlein

meretlein

jugendbuch, belletristik

40 s. | 6 doppelseitige sw-illustrationen von laura jurt
originaltext von gottfried keller
14,8 x 21 cm | klammerheftung
sjw 2012 || 7 fr. | 6 €
ab 12 jahren und für erwachsene
ISBN 978-3-7269-0617-7

rezensionen

Bruno Blume hat den Originaltext aus dem Grünen Heinrich so bearbeitet, dass auch heutige Jugendliche ihn verstehen können. Dabei hat er es geschafft, den Duktus der Sprache aus dem 19. Jahrhundert beizubehalten, so dass wir auch die historische Perspektive erfassen. Die Geschichte des hochbegabten, fantasievollen Mädchens, das nicht in die gottesfürchtige Zeit passt, hat seine Aktualität nicht verloren. Zwar geschieht es kaum mehr, dass Kinder wegen Ungehorsams geschlagen werden, dennoch sind wir weit davon entfernt, sagen zu können, dass Kinder nicht mehr misshandelt werden. Gerade die Verfremdung durch die Vergangenheit vermag, dass Jugendliche leichter über ihre diesbezüglichen Probleme sprechen können. Laura Jurts prägnante Zeichnungen unterstützen den Text in dessen Interpretation ausgezeichnet.
elisabeth tschudi-moser, pädagogisches zentrum basel-stadt, kjl.edubs.ch

„Was ist es, das mich so fesselt? Auf dem Cover des kleinen Heftchens blickt mich das Gesicht eines jungen Mädchens an. Seine Stirn ist bleich, die Augen groß und ernst. Seine Haare und der Hintergrund sind in rot gehalten. Die Farbe des Lebens, die Farbe des Feuers, die Farbe des Sterbens. Hinter der bleichen Haut leuchten grau die Augen des Todes. Hinter verschlossenen Lippen blitzen die Zähne im Schädel auf. Leben und Tod in einem. Empfunden und gezeichnet von der Schweizerin Laura Jurt, die Meretlein aus Gottfried Kellers Der grüne Heinrich das Antlitz verliehen hat […], dass es mich beim Lesen und Blättern schaudert.
Erzählt wird die Geschichte eines Mädchens, das etwas Besonderes ist. Nun sind zwar alle Kinder etwas Besonderes – aber nicht jedes Kind erfährt Verständnis und Zuneigung, wenn es wirklich besonders ist, also anders ist als die anderen. Und besonders auffällig sind die, die sich den Regeln der gängigen Erziehung verweigern oder sich dem jeweiligen gesellschaftlichen Konsens entziehen. […] Das Meretlein soll ein liebliches, ein zartes, ein schönes Kind gewesen sein. Doch weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird das Mädchen in Pflege zu einem Pfarrer auf das Dorf gegeben. Damit er es an Kindesstatt annehme und erziehe. Was dann an diesem Un-Ort geschieht, entfaltet […] eine Wucht, die uns noch heute das Herz zusammenkrampft. So notiert der Pfarrer in sein Tagebuch: Da sie die Bettdecke über den Kopf zieht, wenn ich abends mit ihr beten will, habe ich die Decke entfernen lassen. Muss sie nun frieren nachts, wird ihr das auf den rechten Weg helfen. Oder: Der kleinen Meret habe ich ihre wöchentlich zustehende Strafe erteilt. Dazu habe ich mir eine neue Rute besorgt, die ihr Werk ausgezeichnet verrichtet. Später wird sie in eine Räucherkammer eingesperrt, noch stärker gezüchtigt, einer Hungerkur ausgesetzt. Hilfe von anderen wird vereitelt. Mehrmals entwischt sie. Läuft zum See, springt ins Wasser, vergräbt sich in die Erde. Diese kleinen Fluchten werden noch intensiver durch die sehr klaren, einfachen schwarz-weiß Grafiken von Laura Jurt.
Das geht so lange, bis das Mädchen ganz und gar eingesperrt wird. […] Es ist die letzte Maßnahme, die der Pfarrer im Namen des Herren anwendet. Meretlein stirbt. […] Er hat sie von nun an auf dem Gewissen.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das passiert heute noch. Weil sie Angst vor dem Anderen haben.“
annette maennel, weibblick.com

„Der Pfarrer hatte den Verlauf seiner Misshandlungen akribisch in einem Bericht festgehalten […]. Das Meretlein verblieb im Gedächtnis  als diejenige, die Fische und andere Tiere bannen und alle Menschen um sich herum verliebt machen konnte. Es ist eine Künstlerin!“
carola muysers, berlin-woman.de

„Bruno Blume hat diese eindrückliche, Spuren hinterlassende Geschichte in unsere Sprache gesetzt. Das Cover […] verrät, dass etwas Vergangenes, Trauriges drin steckt. In der Oberstufe einsetzbar bei historischen Tatsachenberichten. Ergreifend!
r. müller, kklick.ch

links

illustratorin:
laura jurt

verlag:
sjw.ch

neurodiversität

meret erhält vor 300 jahren das prädikat, mit dem heute so viele neurodivergente kinder abgestempelt werden: nicht beschulbar. raus aus der gemeinschaft, rein in die sonderschule

das unerständnis, das merets natürlichkeit entgegengebracht wird, kennen viele autist:innen. das leid, das meret deswegen widerfährt, möge ihnen erspart bleiben.

meretlein

beschreibung

meret überlebt die geschichte nicht, das macht schon das titelbild klar. sie ist ein außergewöhnliches kind, wird von allen geliebt, selbst von den tieren. aber sie hat ihren eigenen willen und weigert sich, in der schule zu lernen, und in der kirche zu beten verabscheut sie. deshalb wird sie von ihrer familie zu einem pfarrer in pflege geschickt – er soll sie „erziehen“.

die hoch tragische geschichte von gottfried keller (aus dem roman der grüne heinrich, 18. Jh.) ist hier neu erzählt, eng am original und dennoch modern und verständlich. die tagebuchform aus der sicht des pfarrers ist beibehalten, so dass die leser:in nicht ausweichen kann und sich die sicht und das leid der kleinen meret selber imaginiert.

leseprobe

4. Juni 1713
Heute ist das Meretlein mit den Bauernkindern in den Wald gestrolcht und hat im Teich gebadet. Wie meine Magd wahrheitsgemäss berichtet hat, war sie dabei nackt! Sie hatte ihr Busshemd, das ich ihr zu tragen befohlen hatte, ausgezogen und an einen Ast am Baum gehängt. Auch hat sie nackt getanzt und die anderen zu frechem Unfug angestiftet. Ich sah mich gezwungen, ihr allen Umgang mit den Dorfkindern zu verbieten. Ich habe sie in ihrem Zimmer eingesperrt und sehe keine Möglichkeit mehr, dass sie in Zukunft frei herumgehen darf. Sie wird im Haus bleiben müssen und nur dne Pfarrgarten nutzen, damit sie nie mehr auf solche Gedanken kommen kann.
Ich habe sie beträchtlich mit der Rute gezüchtigt und sie anschliessend in die Räucherkammer gesperrt.

22. Juni 1713
Vorgestern ist das Kind verschwunden! Den ganzen Tag haben wir gesucht. Ich liess die Mägde jeden Winkel im Haus durchsuchen und den ganzen Garten. Den Knecht hab ich sogar zum Wald laufen und nach dem Kind rufen lassen. Sie war nicht zu finden und tauchte auch am nächsten Tag nicht auf. Ich traute mich nicht, der gnädigen Frau zu schreiben von dem Verlust, zumal an dem Tag das Pflegegeld eingetroffen und wieder erhöht worden war.
Heute Mittag um 12 Uhr wurde sie endlich aufgespürt! Sie sass zuoberst auf dem Buchenloo in der Sonne. Sie sass völlig entkleidet auf ihrem Busshemd und wärmte sich. Sie trug ihr Haar offen und hatte einen Kranz aus Buchenlaub aufgesetzt. Um den Bauch trug sie eine Art Schal, der aus dem gleichen Laub geflochten war. Vor sich hatte sie eine Menge schöner Erdbeeren liegen gehabt, von denen sie sich voll und rund gegessen hatte. Als sie uns entdeckte, wollte sie erneut ausreissen. Wir konnten sie aber einfangen, weil sie zuerst in ihr Hemd schlüpfen wollte, wohl um ihrer gerechten Strafe zu entkommen. Der Knecht musste sie nach Hause schleppen, doch sie wehrte sich so sehr, dass ich selbst mit anfassen musste. Zu Hause tat ich an ihr, was ich tun musste. Jetzt ist sie verwirrt und scheint krank zu sein. Es ist kein vernünftiges Wort aus ihr herauszukriegen, obwohl ich sie tüchtig mit der Rute behandelte. So weiss ich nicht, wie sie die drei Tage überlebt, wo sie geschlafen, was sie weiter gegessen hat. So wahr mir Gott helfe, habe ich mein Möglichstes getan und habe nun starke Schmerzen im rechten Arm.

illustrationen

auszeichnung und übersetzungen

laura jurt hat mit den illustrationen den renommierten werkpreis 2015 der hans-meid-stiftung gewonnen.

dieses buch wurde in alle schweizer landessprachen übersetzt:
französisch (mérette)
italienisch (la piccola meret)
rätromanisch / vallader (merettina)
alle ausgaben kannst du hier bestellen, bitte unter anmerkungen die sprache angeben!